Zeitverschwendung ist die leichteste aller Verschwendungen
Zeitverschwendung ist die leichteste aller Verschwendungen
Ein Erfahrungsbericht über das Zeit- und Selbstmanagement-Seminar TimING! des FB MB
Die Überschrift des Artikels stammt vom Industriellen Henry Ford, einer durchaus umstrittenen Persönlichkeit, die aber die Gabe besaß, wesentliche bzw. schwierige Sachverhalte in knackige Sätze münden zu lassen. Jeder, der über eine gewisse Berufs- und auch Lebenserfahrung verfügt, kann Fords Zitat problemlos durch eigene Beobachtungen untermauern.
Warum sollte daher das Handeln von Studienanfängern von bedingungsloser Konsequenz geprägt sein? Mit der Aufnahme eines Studiums beginnt für die Erstsemester eine neue Lebensphase, die für sie ungewohnt und oft mit einer Orientierungslosigkeit verbunden ist. Diese äußert sich u.a. in mangelndem Organisationsvermögen, fehlender Prioritätensetzung, teils beängstigender Sorglosigkeit oder in der Unterschätzung der intellektuellen und zeitlichen Anforderungen des Studiums. Neben unzureichenden fachlichen Kompetenzen (z.B. Mathematik oder Physik) können diese Defizite im persönlichen Bereich Gründe für Studienabbrüche sein.
Aus den genannten Gründen bietet der FB Maschinenbau seit dem WS 2014/15 das freiwillige und kostenlose Zeit- und Selbstmanagement-Seminar TimING! an, um seinen MB- bzw. ME-Studierenden den Einstieg in das Studium zu erleichtern. Bereits kurze Zeit später wurde das Seminarangebot auf die LOT- bzw. ET-Studierenden ausgeweitet. Das TimING!-Seminar für Ingenieurstudenten und -studentinnen erstreckt sich über die ersten 9 Wochen des Wintersemesters und besteht aus vier Seminarterminen, die durch tutorengeführte Kleingruppentreffen in jeder Woche flankiert werden. Ein wesentliches Ziel des TimING!-Seminars ist die Herausbildung eines Zeitbewusstseins, um die notwendigen Zeitfenster für das Selbststudium einzuplanen. Gleichzeitig sollen Stresssituationen weitestgehend vermieden und eine eigenverantwortliche Handlungsweise gefördert werden.
Neben der Evaluation des jeweils abgeschlossenen Seminars erfolgt auch eine Evaluation nach erfolgreichem Abschluss des Bachelorstudiums. Nach insgesamt neun Durchläufen wird über die gemachten Erfahrungen nachfolgend berichtet.
- Bisher hatten sich 328 Studierende für das Seminar angemeldet, ca. 70 % davon haben das Seminar erfolgreich bis zum Ende besucht.
- Das verbindende Element zwischen den Seminarinhalten, deren Berücksichtigung im Studienalltag und der notwendigen Selbstreflexion durch die Studierenden ist der individuell anzufertigende Wochenplan. Dazu wird eine Vorlage im Querformat DIN A4 genutzt, in die alle Termine eingetragen werden. Die grafische Abbildung aller Zeitblöcke (LV, Selbststudium oder private Verpflichtungen) visualisiert die komplette Woche auf einen Blick, unterstützt das gehirngerechte Arbeiten und verdeutlicht schonungslos, dass meist nur wenige freie Zeitfenster für spontane Aktivitäten existieren.
- Der Schwerpunkt des zeitlichen Selbststudienumfangs pro Woche im WS 2021/22 lag zwischen 11,5 Stunden und 20,4 Stunden mit einem Median von 14,4 Stunden (Bild). Diese Situation konnte in den Jahren zuvor in ähnlicher Form beobachtet werden.
- Aus den Evaluationen nach Seminarende kristallisierte sich bezüglich der wichtigsten Erkenntnisse für den weiteren Studienalltag heraus, dass „… Prioritätensetzung und konkrete Termine wirklich helfen“, „… Verschriftlichung der Vorhaben/Planung wichtig ist“, „… Zeitpuffer einplanen“, „… kleine Teilerfolge summieren sich auf“, „… ohne Struktur geht gar nichts“ oder „… das Aufschieben von Aufgaben geht schnell nach hinten los“ prägende Erfahrungen darstellen. Diese oder ähnliche Aussagen waren nach dem Seminarende immer wieder und mehrfach den Evaluationen zu entnehmen.
- Durch den intensiven Kontakt zu den Tutoren, die i. d. R. im gleichen Studiengang im höheren Fachsemester studieren, werden Tipps und Tricks zur Erleichterung des Studienalltags inkl. Umgang mit den Professoren effektiv gestreut. Verschiedene Seminarteilnehmer gaben zudem in den ine engere Bindung an den Studiengang und den Fachbereich bekommen zu haben.
- Bei den vorgestellten Methoden und Werkzeugen wurden das Eisenhower-Prinzip, das Prinzip der Rückwärtsterminierung oder die Identifizierung von Zeitfressern als die Elemente benannt, die auch weiterhin bevorzugt genutzt werden würden.
- Die Tutoren begleiten die ihnen zugeordneten Erstsemester in kleinen Gruppen über mehrere Wochen. Sie sind formell Studierende im höheren Fachsemester, aber gleichzeitig auch der verlängerte Arm der Seminarleiter. Durch diese Tätigkeit profitieren die Tutoren ungemein in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Gruppenleitung oder Gesprächsführungstechniken sind Kompetenzen, die einen erfolgreichen Berufseinstieg zusätzlich begünstigen. Außerdem ergeben sich mitunter „erhellende“ Momente, wenn sich Seminarteilnehmer nicht an vereinbarte Termine hielten oder die übertragenen Aufgaben nicht in der Form erledigten, wie sie vereinbart worden waren.
- Im WS 2020/21 konnte das TimING!-Seminar aufgrund der Kontaktbeschränkungen nur online über das Webkonferenzsystem BigBlueButton durchgeführt werden. Die Kleingruppentreffen des Tutors mit seinen 3–4 Erstsemestern gab vielen Teilnehmern überhaupt erst die Möglichkeit, mit den Kommilitonen in Kontakt zu treten, Erfahrungen auszutauschen und der räumlichen Isolation für 45–60 Minuten zu entfliehen.
- Während der Bachelorarbeitsphase bzw. zu Beginn des Masterstudiums wurden ehemalige Teilnehmer um ein Feedback hinsichtlich der langfristigen Wirkung und Einschätzung des TimNG!-Seminars gebeten (s. Kasten).
Im WS 2022/23 geht das Zeit- und Selbstmanagement-Seminar TimING! in die 10. Auflage. Von Beginn an unterliegt das Seminar einer kontinuierlichen Weiterentwicklung, die auf den Evaluationsaussagen der Teilnehmer, den Rückmeldungen der eingebundenen Tutoren und auf den eigenen Beobachtungen der Seminarleiter beruhen. Das Grundkonzept erforderte keine Veränderungen, jedoch gab es Nachjustierungen im organisatorischen Ablauf und bei den behandelten Themen, Werkzeugen und Methoden, bis das Seminar in der heutigen Form stand.
Den Autoren ist vollkommen klar, dass keine Studentin bzw. kein Student durch das Seminar in wenigen Wochen zum Zeitmanagementprofi wird. Dieser Vorgang benötigt Zeit, viel Zeit, evtl. ein ganzes Leben. Einig sind sich aber alle Teilnehmer, dass das TimING!-Seminar absolut empfehlenswert ist und einen nicht zu unterschätzenden Beitrag geliefert hat, das jeweilige Studium erfolgreich abzuschließen.
Prof. Dr.-Ing. Martin Garzke (FB Maschinenbau) Birke Kotzian M.A. (Rektorat)
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