Wir wollen und wir können!“ – Appell an die Politik
Wir wollen und wir können!“ – Appell an die Politik
Am 11.07.2022 fand in der Aula der Ernst-Abbe-Hochschule Jena das Symposium „Quo vadis Promotionen an HAWs in Thüringen?“ statt. Die
Vizepräsidien aller vier Hochschulen für angewandte Wissenschaft in Thüringen (EAH Jena, Hochschule Schmalkalden, Hochschule Nordhausen und FH Erfurt) haben als gemeinsame Organisatoren Personen aus der Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit dazu eingeladen.
Auch wenn die Forschung ein fester Bestandteil von Hochschulen für angewandte Wissenschaften bildet und im Aufgabenbereich von Professorinnen und Professoren längst verankert ist, verfügen die Thüringer HAWs – anders als in anderen Bundesländern, wie etwa in Sachsen-Anhalt oder Hessen – über kein eigenes Promotionsrecht. Wer in Thüringen an einer HAW bzw. FH promoviert, tut dies kooperativ. Das bedeutet, dass in jedem Falle eine Erstbetreuung an einer Universität gefunden werden muss. Dieses Modell schafft nicht nur Ungerechtigkeiten, sowohl für die Promovierenden als auch für die betreuenden ProfessorInnen an den HAWs, sondern zementiert ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen den zwei Hochschultypen. Andere Bundesländer sind da schon weiter.
So berichteten Prof. Dr. Armin Willingmann, Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt in Sachsen-Anhalt und Prof. Karim Khakzar, Präsident der Hochschule Fulda, von ihren bisherigen Erfahrungen mit dem Promotionsrecht bzw. mit seiner Einführung. Herr Minister Prof. Willingmann hatte im Mai 2021 mittels einer Verordnung den Hochschulen in Sachsen-Anhalt das Promotionsrecht verliehen, das Bundesland Hessen blickt bereits auf sechs Jahre eigenständiges Promotionsrecht zurück und hat die erste Evaluation hinter sich, die durchweg positiv ausgefallen ist. Aus den Erfahrungen der beiden Bundesländer lässt sich vieles lernen und einiges auch auf Thüringen übertragen. Beide formulierten Appelle an die Politik und gaben konkrete Ratschläge für die Einführung eines Promotionsrechts in Thüringen.
Dr. Karla Neschke vom hlb (Hochschullehrerbund) gab in ihrem Vortrag einen Überblick über den Fortgang der verschiedenen Verordnungen zum Promotionsrecht und präsentierte den aktuellen Stand in den einzelnen Bundesländern und auf europäischer Ebene. Sie verdeutlichte die dynamischen Entwicklungen, die das Thema in den letzten Jahren erfahren hat und betonte dabei die Gefahr, dass Thüringen hinsichtlich der Entwicklung zurückbleibe.
Prof. Anne König (BHT Berlin) zeigte anhand ihrer Auswertung statistischer Daten, dass das derzeitige Wissenschaftssystem ohne ein Promotionsrecht vorrangig Wissenschaftstalente an Universitäten fördere und damit ungerecht sei und einen bildungs- und wissenschaftspolitischen Skandal darstelle.
Während Prof. Viktor Wesselak (HS Nordhausen) einen emotionalen Einblick in die Ungerechtigkeiten des aktuellen Systems der kooperativen Promotionen gab und dabei die strukturellen Schwächen des Modells aufzeigte, stellte Dr. Isabel Roessler (CHE) das in Deutschland noch wenig bekannte Modell des Professional Doctorate vor, das in Großbritannien parallel zum Ph.D. existiert und sich dort großer Beliebtheit und Akzeptanz erfreut. Dieses hätte insbesondere für HAWs, deren Forschung stärker im angewandten Bereich liegt, viele Vorteile, so Roessler.
Auf das Modell des Professional Doctorate ist auch Professorin Dr. Kristin Mitte, Vizepräsidentin für Forschung und Entwicklung an der EAH und Mit-Organisatorin des Symposiums in ihrem Eröffnungsvortrag als möglicher Option für Thüringen eingegangen. Sie zeigte auf, dass das derzeitige System viele Potentiale ungenutzt lasse und formulierte die vielen Vorteile des Promotionsrechts und einen deutlichen Appell, das Thema hochschulpolitisch voranzubringen.
In der gemeinsamen Abschlussdiskussion, die von Prof. Thomas Seul (HS Schmalkalden) und Prof. Yvonne Brandenburger (FH Erfurt) moderiert wurde, kamen neben Doktoranden, ProfessorInnen auch anwesende Landespolitiker Thüringens zu Wort. Die rege Beteiligung und ein voller Saal bestätigten die Relevanz des Themas und den großen Bedarf nach Austausch.
Insgesamt wurde deutlich, dass das fehlende Promotionsrecht in Thüringen nicht nur das Bildungssystem ungerecht macht, sondern auch den Wirtschaftsstandort Thüringen schwächt. Damit die Thüringer Hochschulen im Ringen um die talentiertesten und klügsten Köpfe nicht abgehängt werden, gilt es das Promotionsrecht voranzubringen – darin waren sich alle Anwesenden einig. Auch wenn noch viel zu tun ist, das Symposium stellte hierbei einen ersten wichtigen Schritt dar. Prof. Mitte formulierte in ihrem Eröffnungsvortrag prägnant die eigene Position, die im Verlauf der Vorträge und Diskussionen immer wieder aufgegriffen und so zum Motto des Symposiums wurde: „Promotionen an Thüringer HAWs: Wir wollen und wir können!“
Prof. Dr. Kristin Mitte, Thomas Schmidt
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